11/16/2015

[Gedankenschnipsel] Paris und die Welt, 13.11.15

Hallo meine Lieben.

Ich möchte diesen Eintrag in einem für meinen Blog doch eher unüblich ernsten Ton halten. Das liegt nicht daran, dass ich keine gute Laune habe oder meine Wortwitz-Qualität zum Abend hin abnimmt. Das liegt schlichtweg daran, dass das Thema, das auch hier behandelt wird - Terror, um es beim Namen zu nennen - einfach zu nah ist, um ihm nicht die Ernsthaftigkeit zu zollen, die es leider verdient. Dieser Blog und die Person, die ihn betreibt, lebt für bissigen und schrulligen Humor. Und ich bin der Meinung, dass die beste Art, Dinge zu bewältigen, ein guter Witz ist. Aber manchmal ist eben auch der beste Witz fehl am Platz. Ich habe das ganze Wochenende überlegt, ob ich etwas zum Freitag sagen soll und es bis jetzt auf allen sozialen Plattformen gelassen. Der heutige Tag und das ersten Zusammentreffen nach der Stunde Null, wenn man es so nennen will, hat mich jetzt dazu bewegt, doch noch etwas loszuwerden. 

Ich habe am Samstag Morgen von den grausamen Anschlägen in Paris erfahren, die eine Schande für alles sind, was die vielen tausend Jahre menschliche Entwicklungsgeschichte hervorgebracht haben. Über diverse soziale Netzwerke und das Glück, sehr engagierte und informierte Freunde zu besitzen, habe ich auch von dem Anschlag in Beirut erfahren, der im Moment eher in den Hintergrund rückt. (Und der - Trauer und Mitgefühl mit der französischen Bevölkerung nichtsdestotrotz - auch beachtet werden muss!) Das Leben läuft natürlich weiter, Leute (ich auch) hinterlegen ihrem Profilbild bei Facebook die Trikolore, andere regen sich darüber auf, manche schreiben etwas, teilen Bilder, beten, schweigen, schreien, diskutieren. Vollkommen egal. Menschen sind gestorben, andere haben ihre Lieben verloren - neben uns, mitten in Europa und am anderen Ende der Welt. Alles andere ist eigentlich nur Nebensache. 

Mich hat nach diesem Wochenende und einer Menge verschiedener Eindrücke dieses Geschehnis wirklich berührt und deshalb will ich jetzt darüber schreiben. Ich habe mich heute mit meiner ganzen Schule an der Schweigeminute beteiligt und jeden, der von der Ankündigung erfahren hat "Gut so.", sagen hören. Ich habe Vergleiche zu 9/11 gehört und Hamlet-Zitate, mit denen meine Deutschlehrerin uns durch die Blume gesagt hat, dass es Zeiten gibt, in denen man schweigen sollte und Zeiten, in denen es unsere Pflicht ist, zu sprechen. Mein Blog ist winzig, ich mache mir gar keine großen Illusionen, dass dieser Post einen Nachhall erfährt. Aber ich will, dass ihr wisst, wie ich zu der ganzen Sache stehe: Ich glaube nicht, dass ein Post oder ein geändertes Profilbild oder ein Protest oder eine Kerze oder eine Schweigeminute irgendetwas ändern können. Und ich glaube nicht, dass wir heute, hier, in diesem Moment den Terror besiegen können. Aber ich glaube ans Kämpfen. Und ich glaube an Ausdauer. Sei es gegen den Terror fanatischer religiöser Gruppen und ihrer barbarischen Handlungen oder gegen Terror rechtsextremer Gruppierungen im eigenen Land. Ich glaube, dass wir die Kultur, die wir haben, aufrecht erhalten müssen und dass wir Menschen- und Bürgerrechte, mit allem, was wir haben, verteidigen müssen. Ich glaube, dass es ein harter Kampf wird und dass wir ihn nicht mit Gewehren und Panzern gewinnen können. 

Gestern habe ich die Autobiografie der großartigen Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai gelesen, in der es primär um die Wichtigkeit von Bildung geht und darum, dass genau das - die Bildung - unsere schärfste Waffe gegen den Terrorismus sein wird. Wir können Schweigeminuten halten, aber letztendlich werden wir mit Worten gewinnen. Und mit Wissen. Und egal, wie wir protestieren: Wir dürfen nicht vergessen, dass der mächtigste Protest die eigene Bildung ist. Ob ihr Männer seid oder Frauen, aber vor allem, wenn ihr Frauen seid. Lest - Bücher und Zeitungen - seht - Theater und Kino - hört - Klassik und Reden. Seid euer eigener kleiner Protest und tut alles dafür, dass die westlichen Werte nicht mit dem Desinteresse ihrer Bewohner untergeht. 

Wir können das, was passiert ist, niemals wieder gut machen. Doch wir können das Licht, das am Freitag gelöscht wurde, wieder anzünden. Aber dafür müssen wir selbst hell leuchten. Und das geht nicht, wenn wir so tun, als ginge uns Politik, Wirtschaft, Kunst und Co. nichts an. Informiert euch, bildet euch, bekämpft Terror mit Wissen. Sie können Bücher verbrennen und Menschen erschießen, aber Ideen einer besseren und einer toleranteren Zukunft töten wir selbst, wenn wir sie vergessen. Also: Betet nicht für Paris. Macht. Schweigt für Paris, aber sprecht, wenn ihr damit fertig seid.

Ich wünsche euch das Beste,
Antonia

P.S.: Und vor allem, bevor ich es vergesse, wendet euch nicht anderen extremen Gruppen zu, nur weil das eben ein bisschen leichter ist. Auf den Freitag mit Hass gegen Asylsuchende zu antworten ist alles, aber nicht im Geringsten intelligent.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke, dass ihr durch eure Kommentare aktiv zum Training von Antonias Sprunggelenken beitragt. Sollte sie nach eurem Kommentar länger nichts posten, liegt es nahe, dass sie sich beim Rückwärts-Flick-Flack nach dem Entdecken einen Wirbel ausgerenkt hat.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...